20.07.2025

Taiwan Today

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Nachbarschaftlicher Rat

01.09.1994
Wann immer man Pläne für einen Urlaub in Südostasien äußert, ist die Wahrscheinlichkeit groß, daß Freunde einem Thailand, eins der beliebtesten Reiseziele in der Region, empfehlen. Eine faszinierende Kultur, phantastisches Essen und großartige Strände tragen zu dem exotischen Reiz des Landes bei.

Obwohl Taiwan dem in vielen Punkten nicht nachsteht, ist es allgemein weder in Asien noch in anderen Teilen der Welt als Land bekannt, das ein Tourist gesehen haben sollte. Was könnte Taiwan von seinem geographischen Nachbarn lernen, um seine Tourismusindustrie in Schwung zu bringen? Die englischsprachige Monatszeitschrift Free China Review fragte Michael Bamberg, Geschäftsführer des Hilton International Hotel am Nai-Lert-Park in Bangkok und von 1988 bis 1991 Geschäftsführer des Taipei Hilton, nach einigen konstruktiven Vergleichen zwischen der Tourismusbranche in Taiwan und Thailand, Es folgen Auszüge:

FCR: Was vermissen Sie, vom Standpunkt eines Touristen aus betrachtet, am meisten in Taiwan, und was schätzen Sie am meisten in Thailand?

Michael Bamberg: Ich habe tatsächlich gute und sehr erholsame Zeiten in Taiwan erlebt. Vor allem Fahrten zur Nordostküste und zu den höheren Lagen des Yangmingshan-Nationalparks waren ein großes Vergnügen. Ich mag den Jade-Berg, den Berg Li und die Taroko-Schlucht. Ich finde, daß die Landschaften und das Klima der Berge auf Taiwan eine große Attraktion darstellen.

Aber natürlich sind die Möglichkeiten in Taiwan sehr beschränkt, wenn man es mit einem Land wie Thailand vergleicht, wo es ein derartig reiche kulturelles Erbe und den Einfluß so vieler verschiedener Kulturen gibt, die hier ihre Spuren hinterlassen haben. Das gilt auch für Malaysia - diese Länder haben einfach mehr Charme. Die Orte der antiken Thai-Kultur bieten besonders viel; eine Reise in den Norden des Landes ist eine wunderbare Erfahrung. Natürlich denkt jeder an Thailands großartige Strände, aber jene Orte in der Mitte und dem Norden des Landes sind wirklich nicht minder spektakulär. Es ist ein magisches Land; und es gibt hier so viel mehr, was ich unternehmen kann. Ich liebe es.

Taiwans Vorteil ist, daß die landschaftlich schönen Stellen etwas näher und leichter zu erreichen sind. Hier in Thailand muß man weit und lange fahren - vor allem um aus dem Verkehr von Bangkok herauszukommen, der tatsächlich noch schlimmer als der von Taipei ist.

FCR: Sie haben Hotels sowohl in Taipei als auch in Bangkok geführt. Was für Unterschiede gibt es hinsichtlich der Effizienz der Hotelvereinigungen und der staatlichen Tourismusorganisationen zwischen den zwei Orten?

M.B.: Die Hotelvereinigung hier in Thailand ist, verglichen mit Taiwan, viel aktiver und offener; und sie lädt zu ausländischer Beteiligung ein. In Taiwan, zumindest zu meiner Zeit, hat sich die Hotelvereinigung ausländischen Hoteliers gegenüber nicht sehr offen gezeigt. Sie hatte den Ruf einer ziemlich geschlossenen Gesellschaft, über die einheimische Besitzer und Geschäftsführer wachten.

Ich war damals überhaupt der erste Ausländer, der Direktor in der taiwanesischen Hotelvereinigung wurde - was einigen Aufruhr verursachte. Sie waren nicht auf die Möglichkeit gefaßt, daß ich mich als Kandidat aufstellen lassen würde. Sie mußten erst mal die Gesetze und Verordnungen durchgehen, um herauszufinden, ob ein Ausländer eine solche Position einnehmen könnte.

Damals wurden alle Versammlungen auf taiwanesisch abgehalten - nicht einmal auf Mandarin-chinesisch. Ich mußte immer einen Übersetzer bei mir haben, das war äußerst lästig. Die Organisation war nicht darauf vorbereitet, Ausländer und die Erfahrung, die sie der Hotel- und Tourismusbranche anbieten könnten, aufzunehmen.

Hier in Bangkok hat die Vereinigung natürlich auch ihr eigenes Thai-Netzwerk, aber sie begrüßen Ausländer. Sie fordern uns auf, im Vorstand mitzuarbeiten und aktiv teilzunehmen - und das tun wir. Dennoch hat auch die Vereinigung hier noch einen weiten Weg zurückzulegen, bis sie das Niveau von Hongkong oder Singapur erreicht, wo man wirklich äußerst effektiv arbeitet.

Was das Amt für Tourismus in Taiwan und in Thailand angeht, kann ich nur sagen, daß Hongkong und Singapur es in der Region immer noch am besten machen. Warum? Das thailändische Amt ist genauso wie das in Taiwan zu sehr staatlich gelenkt. Es leistet gute Arbeit, aber vielleicht könnte es noch bessere leisten, wenn es nicht so eng an die staatliche Bürokratie gebunden wäre, die manchmal Flexibilität und schnelle Entscheidungen verhindert.

FCR: Meinen Sie, daß private Geschäftsleute aus der Tourismusbranche für den Tourismus eines Landes verant­wortlich sein sollten?

M.B.: Nicht wirklich. In Hongkong beispielsweise ist die Tourismusorganisation halbstaatlich; aber sie ist unabhängig genug, um dynamischer zu sein. Sie hat keine übermäßige bürokratische Struktur. Kürzlich wurde z.B. ein Leiter der Organisation von außerhalb der Branche rekrutiert. Ich glaube, er war vorher Marketing-Manager bei IBM in Japan und hatte keine spezifische Berufs­erfahrung in der Touristikbranche; aber er hatte das richtige Gespür für Marketing, die richtige Einstellung und die richtige Herangehensweise.

Einige Leute hier haben das thailändische Fremdenverkehrsamt gedrängt, aktiver zu werden, da Dinge hier manchmal etwas wahllos und kurzfristig geschehen. Dasselbe gilt für Taiwan. Im allgemeinen gibt es hier nicht die Art von langfristigen und gutdurchdachten Plänen wie in den Tourismusorganisationen in Singapur oder Hongkong. Dort scheinen sie ganz genau zu wissen, was sie wollen, und darin zeigt sich ihre Professionalität. Nicht minder wichtig ist, daß die Öffentlichkeit und die Hotels einbezogen werden. Dadurch kommt Einheitlichkeit ins Geschäft - von der Flughafenverwaltung über Hotels bis hin zu Kunstorganisationen sind einfach alle mit von der Partie.

In Thailand und Taiwan gibt es diese Bandbreite nicht. Wir bräuchten hier ein bißchen mehr Kollegialität, was auch für Taiwan gilt.

FCR: Finden Sie, daß die Qualität des Informationsmaterials an anderen Orten besser ist als in Taiwan?

M.B.: Ich weiß nicht genau über die Details Bescheid, aber das thailändische Fremdenverkehrsamt hat eine professionelle PR-Firma beauftragt, die von einem Engländer geleitet wird - einem wirklichen Veteranen. Er lebt seit mehr als dreißig Jahren in Thailand, hat Reden für Minister auf Kabinettsebene geschrieben und bringt ein internationales Flair ins Geschäft.

Taiwan dagegen ist wirklich alles andere als touristenfreundlich. Wenn man z.B. zu den Schwefelquellen auf dem Yangmingshan geht, was ein wunderschöner Ort ist, findet man nur ein Schild mit chinesischen Schriftzeichen. Wenn man kein Chinesisch kann, hat man eben Pech gehabt. Das gilt für die meisten Orte auf Taiwan; viele bieten noch nicht einmal Informationen auf chinesisch. Thailand ist da viel eher auf internationalen Tourismus eingestellt.

FCR: Wie steht es mit den verschiedenen Tempeln in Thailand - sind alle Prospekte, Fotos und Souvenirs vom privaten Sektor hergestellt?

M.B.: Vieles kommt von der staatlichen Kunstbehörde, aber daneben gibt es auch viel anderes Material aus dem privaten Sektor. Einige sehr interessante Organisationen machen sich um die Erhaltung von Thailands Kulturerbe und Kunstschätzen verdient und sorgen für die Verbreitung von Wissen über sie. Eine der beeindruckendsten unter ihnen ist die Siam-Gesellschaft. Sie ist privat und steht unter königlicher Patenschaft. Ihre kulturellen Veranstaltungen sind praxisbezogen, nicht-profitorientiert, sehr solide - und alle Arbeit wird von Freiwilligen geleistet. Sie arbeitet auch mit Nachbarländern zusammen. Einige wichtige Figuren aus der Reisebranche sind ebenfalls beteiligt. Die Organisation leistet eine sehr gute Arbeit, und dadurch wird ein größerer Kreis von Menschen geschaffen, der sich für Tourismus-bezogene Veranstaltungen und Angebote interessiert. Taiwan könnte von derselben Art privater Organisationen profitieren.

(Deutsch von Christian Unverzagt)

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